Sind Weißstörche ein Problem, gibt es zu viele?


Sind sie der Grund für den Rückgang von Wiesenbrütern?

Werden sie zum Problem für Feldhasen, Rebhühner oder andere?


 Im Altmühltal sieht man wieder viele Weißstörche. In jedem Ort sind zahlreiche Horste. Gibt es schon zu viele?
Im Altmühltal sieht man wieder viele Weißstörche. In jedem Ort sind zahlreiche Horste. Gibt es schon zu viele? .

In letzter Zeit steht der Weißstorch wieder häufiger im Mittelpunkt von Diskussionen. Noch vor 35 Jahren stand der Weißstorch kurz vor dem Aussterben. Im Jahr 1988 gab es in Bayern nur noch 58 Paare. Mittlerweile hat die Zahl an Weißstörchen enorm zugenommen. 2022 waren es nach Angaben des LBV bayernweit etwa 1.100 Paare, davon etwa 400 in Mittelfranken, mit steigender Tendenz. Dass es wieder so viele Weißstörche gibt, liegt an umfangreichen Schutzbemühungen wie dem 1984 initiiertem Artenhilfsprogramm Weißstorch, aber auch an dem veränderten Zugverhalten. Ein großer Teil der bayerischen Störche überwintert in Spanien. Das birgt weniger Risiken, als ein Flug nach Afrika. Einige Tiere überwintern ganz bei uns.

Darüber sollten wir uns sehr freuen. Ein Charaktervogel unserer Region ist wieder zurück. Dennoch, einigen wird es zu viel! Sie sagen, wir hätten eine „Überpopulation“ an Weißstörchen, sie würden zum Problem für das Ökosystem, sie seien eine Gefahr für Niederwild und andere Arten oder sie seien schuld am geringen Bruterfolg von Brachvögeln und Kiebitzen.

.


Stimmt das? – ein eindeutiges NEIN!

Hierzu einige Fakten zur Klarstellung und zum Nachdenken:



.

1. Eine „Überpopulation“ gibt es in der Natur nicht! Eine Population ist immer so groß, wie es das Angebot an geeigneten Lebensräumen, Nahrung und Vermehrungsstätten in Konkurrenz mit anderen Arten erlaubt. Nicht die „Raubtiere“ kontrollieren die Beute. Es ist umgekehrt. Das Angebot an Beutetieren reguliert die Größe der Populationen der „Raubtiere“. 



.

2. Je struktur- und artenärmer die Landschaft ist, umso leichter haben es Arten, die nur geringe Lebensraumansprüche haben oder ein breites Spektrum an Lebensräumen bewohnen. Sie profitieren vom guten „Nahrungsangebot“ auf Feldern und Wiesen, dem hohen Nährstoffgehalt im Boden- und Wasserhaushalt und der geringen bis fehlenden Konkurrenz. Ebenso sind Arten, die gegenüber Freizeitnutzung, Verkehr, Siedlungsentwicklung und anderen Faktoren wenig empfindlich sind, im Vorteil. Deren Populationen nehmen zu. Dagegen sind Arten, die sehr spezielle Ansprüche an Nässe, Vegetation, Nährstoffarmut oder Lebensraumstrukturen haben, sehr empfindlich auf Störungen reagieren oder enge Abhängigkeiten zu anderen Arten aufweisen die Verlierer. So nehmen Arten wie Fuchs, Wildschwein, Graugans, Biber aber auch der Weißstorch zu und andere wie Wiesenbrüter, Amphibien, Reptilien, eine Vielzahl von Insekten und andere mehr sind die Verlierer.


 Brachvögel, Uferschnepfen und Kiebitze sind wehrhaft. Sie attackieren Krähen, Greifvögel und auch Weißstörche.
Brachvögel, Uferschnepfen und Kiebitze sind wehrhaft. Sie attackieren Krähen, Greifvögel und auch Weißstörche..

3. Der Weißstorch erbeutet in der Tat alles, was vor seinem Schnabel gesichtet wird. Er ist nicht wählerisch. Er frisst Mäuse, Würmer, Insekten, Amphibien, auch Fische, Aas und anderes. Er erbeutet sicher auch das ein oder andere Küken oder einen jungen Feldhasen. Aber er ist ein „Bewegungsjäger“. Er schreitet langsam durch deckungsarme (gut überblickbare) Flächen, jagt nur am Tag und auf „Sicht“, nicht nach Geruch und er verfolgt seine Beute nicht auf größere Distanz. Schon alleine dieses Jagdverhalten macht es sehr unwahrscheinlich, dass Küken oder Hasen erbeutet werden. Denn alles was sich beim Nähern eines Storches „wegduckt“, versteckt oder wegläuft, wie es kleine Feldhasen oder Wiesenbrüterküken nun mal machen, haben gute Überlebenschancen. Diese Chance ist umso größer, je vielfältiger, struktur- und deckungsreicher die Landschaft ist. Bei den Wiesenbrütern kommt hinzu, dass die Altvögel „Wache“ halten und wehrhaft sind. Beim Annähern eines Storches warnen sie schon von der Ferne ihre Küken. Sollte doch mal ein Storch zu nahekommen, wird er attackiert.



"Mäusegänge" in der Wiese.

4. Auch alle bisherigen Untersuchungen zum Nahrungsspektrum des Weißstorchs, zum Mageninhalt oder von Gewöllen zeigen, dass zeitlich und örtlich wechselnd, überwiegend Mäuse, Insekten (Heuschrecken, Käfer, Raupen), Regenwürmer (vor allem für kleine Nestlinge), teilweise Amphibien, gelegentlich auch Maulwürfe, Fische, Eidechsen und ausnahmsweise Eier oder Küken von Bodenbrütern oder Junghasen erbeutet werden.



.

5. Wenn man viele Störche gleichzeitig auf einer Wiese oder einem Feld sieht, ist dies in der Regel nach der Mahd, nach der Feldbearbeitung oder nach der Brutzeit. Nach einer Mahd kann der Weißstorch sehr einfach Beute machen, weil Verstecke fehlen, Mäuselöcher gut gesehen und Insekten leicht entdeckt werden und auch tote Tiere zu finden sind, die die Mahd nicht überlebt haben. Das lockt viele Störche an. Gleiches gilt bei der Feldbearbeitung, beim Pflügen, Grubbern oder nach der Ernte. Lebende Küken oder Hasen erbeutet er hier wohl kaum. Im Spätsommer sammeln sich die Tiere einschließlich der Jungstörche für den Winterzug. Deshalb sieht man zu dieser Zeit oft große Ansammlungen von Störchen. Zu dieser Zeit ist aber sowohl die Brutzeit der Wiesenbrüter als auch die Aufzucht der Feldhasen abgeschlossen!



.

6. Und noch ein Argument: In einem einzigen Jagdrevier werden zum Teil 40 und mehr Füchse pro Saison geschossen! Die Fuchsdichte ist um ein zigfaches höher als die der Weißstörche. Füchse jagen sehr gezielt mit der Nase, verfolgen die Fährte über lange Strecken und sie jagen vor allem nachts. Nachts können Altvögel nicht reagieren! Nachtaktive Raubsäuger sind sowohl wegen ihres Jagdverhaltens als auch wegen ihrer Zahl viel gefährlicher für Wiesenbrütergelege, Küken oder Niederwild. Dies wurde schon in den 80er Jahren durch „Thermologgeruntersuchungen in der Nestmulde“ belegt. Auch die „Telemetrieuntersuchungen“ der Küken, durchgeführt von Mitarbeitern des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz in Bayern e.V. zeigen ein eindeutiges Bild: noch nie wurde ein Sender in einem Weißstorchhorst gefunden, aber wiederholt in einem Fuchsbau oder in Erdlöchern (Wiesel).


Alle Erkenntnisse zeigen, der Strukturwandel der Landschaft mit allen daraus folgenden Veränderungen ist verantwortlich für den Rückgang von Wiesenbrütern, nicht der Weißstorch!

Nicht die Natur oder gar der Naturschutz ist das Problem. Die Vereinheitlichung unserer Landschaft und die menschlichen Aktivitäten sind die wesentliche Ursachen für die Zunahme bzw. Abnahme bestimmter Arten. Die Natur stellt sich nur auf die wechselnden Gegebenheiten ein und verhilft dabei auch Arten zum Erfolg, die uns Menschen lästig werden können, wie Graugans, Biber oder Mücken.