Lebensraum Altmühltal

FAQ und Hintergrundinformationen



Das obere und mittlere Altmühltal ist eines der wichtigsten Feucht- und Nasswiesengebiete und eines der größten zusammenhängenden Wiesenbrütergebiete Süddeutschlands! Es beherbergt alle neun Wiesenbrüterarten (Brachvogel, Uferschnepfe, Kiebitz, Bekassine, Rotschenkel, Wachtelkönig, Wiesenpieper, Grauammer und Braunkehlchen). Das gibt es in ganz Bayern nur noch hier!

Der breite und weithin offene Talraum wird geprägt von der träge fließenden Altmühl, den häufigen Überschwemmungen und der bäuerlichen Wiesennutzung. Das Zusammenspiel von Nässe und Grünlandnutzung lies einen einzigartigen Kulturraum entstehen. Er beherbergt die unterschiedlichsten Wiesentypen, zahlreiche andere Biotope, wie Fließ- und Stillgewässer, ist Lebensraum für Wiesenbrüter und unzählige andere Arten. Von den seit 2006 nachgewiesenen etwa 760 Arten stehen über 100 Arten auf der Roten Liste der gefährdeten Arten.

Im Frühmittelalter, bis etwa ins 6. Jahrhundert, war die Aue noch bewaldet. Eschen- und Schwarzerlen-Auwälder, Flatterulmen-Hainbuchenwälder und Erlenbruchwälder herrschten vor. Mit fortschreitender Besiedlung wurden die Wälder gerodet und das Tal urbar gemacht. Ackerbau war im Überschwemmungsbereich der Aue nicht möglich. Der wertvolle Stallmist wurde vor dem Aufkommen des Mineraldüngers für den Ackerbau eingesetzt. So entstanden meist magere Wiesen und Weiden, die wegen begrenzter technischer Mittel, der Nässe, der geringen Nährstoffe und der Vielzahl von Landwirten in der Vergangenheit sehr kleinteilig und vielfältig bewirtschaftet wurden.

Mit der Entstehung dieses weitläufigen Feucht- und Nassgrünlands hielten die Wiesenbrüter und viele, viele andere, heute meist seltene Arten Einzug. Die Entstehung und der Erhalt des Landschaftscharakters, der Artenvielfalt und der Wiesenbrüterlebensräume war und ist damit untrennbar verbunden mit den Überschwemmungen und der Grünlandbewirtschaftung.

Das Altmühltal verändert sich. Die Auenwiesen werden entwässerungs- und klimabedingt trockener. Die notwendige Nässe zur Brutzeit fehlt. Die Verluste an Gelegen und Küken durch Störungen aus der Erholungsnutzung und natürliche Fressfeinde, wie Fuchs, Marder und andere sind erheblich. Die Wiesennutzung hat sich verändert. Wiesen sind heute oft einheitlicher, hochwüchsiger und strukturärmer als früher. Viele Flächen werden überhaupt nicht mehr genutzt. Sie verbrachen, verschilfen und verbuschen, was den Lebensraum weiter verkleinert.

Das führte dazu, dass die Wiesenbrüterbestände und zahlreiche andere Arten trotz vieler Bemühungen und trotz des hohen Anteils von Flächen, die unter den Bedingungen des Bayerischen Vertragsnaturschutz extensiv bewirtschaftet werden, in den letzten Jahren dramatisch abnahmen. Sieben der neun vorkommenden Wiesenbrüterarten sind bayernweit vom Aussterben bedroht. Die Anzahl der Reviere und vor allem der Bruterfolg sind besorgniserregend gering.

Die Initiative ging von Naturschutzfachleuten des Landschaftspflegeverbandes Mittelfranken e.V., des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz in Bayern e.V. und der beiden Unteren Naturschutzbehörden aus, die seit vielen Jahren mit dem Wiesmet und den dortigen Entwicklungen vertraut waren.

Aufbauend auf eine Machbarkeitsstudie, die im Jahre 2006 erstellt wurde, hat man nach vielen, vielen Gesprächen entschieden, über das Bundesförderprogramm „chance.natur“, über das alle Maßnahmen zu 90% gefördert werden können, ein Projekt zu initiieren. 2018 wurde die Trägergemeinschaft aus den beiden Landkreisen und den beiden genannten Verbänden gegründet, 2019 der Antrag eingereicht und 2020 mit Projekt I begonnen.

Nur aufgrund der hohen Bedeutung des Altmühltals gelang diese Förderung. „Über chance.natur werden Projekte in Gebieten gefördert, die im nationalen und internationalen Interesse für den Naturschutz außerordentlich wertvoll und für den betreffenden Lebensraumtyp in Deutschland besonders charakteristisch und repräsentativ sind.“ (Quelle: www.bfn.de).

Das chance.natur-Projekt wirft einen „ganzheitlichen“ Blick auf das Altmühltal mit allen Funktionen und Lebensräumen für Menschen, Pflanzen und Tiere.

Wiesenbrüter werden vorrangig in den Fokus genommen, was der hohen Schutzwürdigkeit und der „Schirmarten“-Funktion der Wiesenbrüter geschuldet ist. Wiesenbrüter zu schützen, bedeutet Erhalt der Auenlandschaft in seiner Gesamtheit und Vielfalt mit arten- und strukturreichen, ausreichend nassen Wiesen und Weiden, mit Gebüschen, Schilf, Still- und Fließgewässern, einschließlich Altmühl und allen daran gebundenen Arten. Wiesenbrüter zu schützen, bedeutet Erhalt der prägenden Wechselbeziehungen von Natur, Wasser und bäuerlicher Landwirtschaft, die die Vielfalt hervorgebracht hat und trägt, sowie Erhalt der typischen wiesengeprägten Offenlandschaft.

Neben den Wiesenbrütern sind artenreiche Wiesen und andere Arten, wie etwa Bachmuschel, Gelbbauchunke, Wiesenknopf-Ameisenbläuling oder Vogel-Azurjungfer Ziel der Schutzbemühungen.

Um den ganzheitlichen Ansatz zu wahren, ist es deshalb nötig, die Schutzmaßnahmen so zu gestalten, dass ein bestmögliches Nebeneinander aller Funktionen, aller Lebensräume und aller Interessen sichergestellt werden kann.

Ganzheitlich bedeutet auch, auf freiwilliger Basis und auf Augenhöhe mit allen anderen Interessensgruppen, der Landwirtschaft, der Wasserwirtschaft, Fischern und Jägern konstruktiv und kooperativ zusammenzuarbeiten. Genau das ist das Ziel des Projektes!

Es braucht ein Mix aus vielen verschiedenen Maßnahmen, mehr Wasserrückhalt, Optimierung der Gewässer, Verhinderung von Einträgen, Schutz der Gelege und Küken, in Zusammenarbeit mit der Jägerschaft, eine wirksame Besucherlenkung, Brachen und Schilfflächen, die immer mehr zunehmen, wieder als Grünland oder Weide nutzen, mehr extensive Beweidung, verschiedene, auch frühere, Mahdzeitpunkte und eine kleinteiligere, abwechslungsreiche Bewirtschaftung der Flächen.

Im Mittelpunkt der Bemühungen stehen:

  • der Wasserrückhalt und Strukturverbesserung von Gewässern,
  • der Schutz der Gelege und Küken vor natürlichen Feinden,
  • der Erhalt der weithin offenen Wiesenaue einschließlich der Pflege von Brache-, Schilf- und Gehölzbeständen
  • eine Besucherlenkung, die störungsfreies Naturerleben ermöglicht aber Störungen an den Brutplätzen vermeidet und
  • der Erhalt und Ausbau der extensiven Wiesen- und Weidenutzung.

Eine der entscheidenden Maßnahmen ist es, mehr und länger Wasser zurückzuhalten. Das bedeutet nicht, Flächen einfach unter Wasser zu setzen. Es braucht ein intelligentes System: regulierbar, geordnet, zeitlich begrenzt und gezielt in den Bereichen, die für Wiesenbrüter am bedeutsamsten sind und vor allem immer in enger Zusammenarbeit mit den Bewirtschaftern.

Wasserrückhalt bedeutet auch Klimaschutz und könnte der zunehmenden Austrocknung im Sommer entgegenwirken, die der Landwirtschaft zunehmend Probleme bereitet.

Es ist nicht beabsichtigt, alte, durchgängige Gehölzsäume entlang der Altmühl abzuholzen. Diese Gehölze sind wegen ihrer Beschattung aus gewässerökologischer Sicht sehr wichtig. Die entscheidende Frage ist, wo lassen wir weitere Gehölzentwicklungen zu oder fördern sie?

Im Pflege- und Entwicklungsplan wurden die Bereiche gekennzeichnet, in denen einer weiteren Gehölzentwicklung entgegengewirkt werden soll. Sie sind derzeit noch weitgehend gehölzfrei und weisen die höchste Bedeutung und das höchste Potenzial für Wiesenbrüter auf.

Bei der beabsichtigten Pflege von Brach-, Schilf- und Gehölzbeständen geht es somit um den langfristigen Erhalt des seit Jahrhunderten das Altmühltal prägenden offenen Landschaftscharakters. In Bereichen, die für Wiesenbrüter nicht relevant sind, soll in Zusammenarbeit mit Wasserwirtschaft und Fischerei eine Förderung der Gehölze z.B. durch Ausbringen von Stecklingen erreicht werden.

Ziel ist es, in Abstimmung mit der Wasserwirtschaft und dem Fischereiwesen ganzheitliche Lösungen zu erarbeiten, die dem Gewässer- als auch dem Wiesenbrüterschutz gleichermaßen gerecht werden.

Brachvögel, Uferschnepfen und Kiebitze wissen instinktiv, in Gehölzen können Gefahren, Füchse, Krähen auch Greifvögel lauern. Gehölze aber auch Schilf versperren die freie Sicht auf mögliche sich nähernde Räuber. Wiesenbrüter halten deshalb 100 bis 200 m Abstand zu Gehölzen. Diese sogenannte „Kulissenwirkung“ führt damit direkt und indirekt zu einem Verlust des Lebensraumes.

Niemand kann gezwungen werden mitzumachen. Niemand soll Nachteile erleiden. Die Beteiligung ist vollumfänglich freiwillig!

Deshalb erfolgen Planung und Umsetzung immer zusammen mit Landwirten, mit Jägern, Fischern und natürlich der Wasserwirtschaft. Hierzu werden Arbeitsgruppen gebildet, die die notwendige Information, Beteiligung und Mitbestimmung ermöglichen.

Vorrangig sollen Flächen der öffentlichen Hand herangezogen werden. Das Projekt braucht vor allem nasse, ertragsschwache und schwer zu bewirtschaftende Flächen. Auch ein Tausch von Flächen oder Bewirtschaftern in Zusammenarbeit mit dem Amt für Ländliche Entwicklung ist eine gute Option, um Nachteile zu vermeiden oder im besten Fall sogar Vorteile für Landwirte zu generieren.

Alle Flächen bleiben weiterhin in Bewirtschaftung. Durch Beweidung oder Mahd von langjährigen Brachflächen werden ehemalige Wirtschaftsflächen zurückgeholt.

Die Ausweisung von Naturschutzgebieten auf Privatflächen ist nicht geplant. Es gibt bereits die beiden geschützten Natura-2000-Gebiete: das FFH-Gebiet mit einer Größer von 4470 Hektar und das Vogelschutzgebiet mit einer Größe von 5003 Hektar.

Nein. Der Bruterfolg ist zu gering, die Bestände gehen zurück und die Standortbedingungen verschlechtern sich weiter. Die Schutzbemühungen reichen nicht aus. Auf den Erfahrungen und Ergebnissen im Wiesmet wird jetzt aufgebaut. Die Aktivitäten im Wiesmet werden nicht einfach nur fortgeführt, sie sollen optimiert, gebündelt und räumlich ausgeweitet werden. Die Bemühungen sollen stärker auf die essenziellen Gebiete gelegt werden, der Wasserrückhalt muss deutlich verbessert werden und zusammen mit den Jägern müssen Gelege und Küken effektiver vor natürlichen Fressfeinden geschützt werden.

Das Projekt ist eine der letzten Möglichkeiten mit mehr finanziellen Mitteln und mehr Personaleinsatz diesen einzigartigen Kultur- und Landschaftraum in all seiner Vielfalt und die Wahrzeichen des Altmühltals, Brachvögel und Kiebitze, zu erhalten.

Die Maßnahmen kommen dabei dem Gewässerschutz, Bodenschutz, Grund- und Trinkwasserschutz, dem Schutz der Biodiversität und mit den Wasserrückhaltemaßnahmen dem Klimaschutz gleichermaßen zugute. Das Projekt ist eine einmalige Chance für eine nachhaltige Entwicklung der Region, was angesichts des globalen Artensterbens und Klimawandels, aber auch der regionalen Entwicklungen dringend geboten ist.

Sedimenteinträge in Altmühl und Altmühlsee, unzureichende Wasserqualität der Altmühl und deren Zuläufe und zu hohe Einträge ins Grundwasser sind Phänomene, die bereits seit vielen Jahren diskutiert werden. Der integrative Ansatz des Projektes, Kommunen, Wasserwirtschaft, Landwirtschaft, Jägerschaft und Fischerei und Naturschutz zusammenzubringen, bietet eine einmalige Chance, hierfür Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.

Das Projekt ist aufgrund der Freiwilligkeit keine Gefahr für die Landwirtschaft, es ist vielmehr eine Chance für den Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft und der kooperativen Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Naturschutz. Das Projekt verfolgt darüber hinaus den Ansatz, naturverträgliche Nutzungsformen durch Entwicklung neuer Produkte und neuer Vermarktungswege nachhaltig zu sichern. Ziel muss sein, Wertschöpfung und Wertschätzung der extensiven Nutzung und der sich beteiligenden Landwirte zu stärken.

Ganz zu schweigen von den Möglichkeiten und Synergien, die das Projekt für einen naturnahen Tourismus in der Region darstellen könnte.